Dieses Gerherhaus ist später in den Besitz des Josef Saxl übergangen. Der betreffende Kaufvertrag lautet: „Mit Bewilligung der p. t. gnädiger Obrigkeit in plena sessione magistratus civitatis Senftenbergensis heut zu Ende gesetzten die et anno ist gegenwärtiger Kaufbrief über das Rothgärberhaus neben der Unter-mühl zivischen denen Mühlgraben und Flusswasser auf dem Senftenberger Gemeinde Grund und Boden stehend, verfertigt worden. Welches der Josef Saxl, allhiesiger herrschaftlicher Schutzjud aus speciali der p. t. obrigkeitlichen Bewilligung und sein unterthäni-ges Anlangen und Buten obernannter Gärber- oder Lederhaus auf seine alleinige Unkosten zu seiner, sein Erben und Erbnehmern Genuss neu aufbauen lassen, welche vermag seiner vorgewiesenen Specification 1200 fl. rhein. betragen; jedoch mit diesem hie beifügenden ausdrücklichen Vorbehalt, dass wenn so-thanes also erbautes Gärber- oder Lederhaus über kurz oder lang zum Verkaufe gelangen sollte, die Präcidenz sowol jetzt regierende gnädige Obrigkeit als auch succesores in dem nämlichen Werth wie sich derlei Lederhaus dermalen befinden würde, vorbehalten, worzu all und jedem oft benannter Jud Josef Saxl sich freiwillig ergeben und treulich verbunden hat. So geschehen in curia civitatis Senftenbergensis die 21. Februarii anno 1764." Durch eine Eintragung im J. 1788 ist dieses Haus, in welchem sich eine Weiß- und Lohgerberei befand, von Josef Saxl auf seinen Solin Jakob Übergängen. Von diesem erstand es am 6. Dezember 1795 Jakob Brady, welcher noch das Haus Nr. IV dazukaufte. Diese Häuser sind verschwunden. Sie sind einem Brande (vermutlich dem im J. 1810) zum Opfer gefallen. Die Saxls und nach ihnen Brady bestanden darauf, daß nur sie im Bereiche der Senftenberger Herrschaft das alleinige Recht besitzen Häute zu gerben. Als daher im J. 1798 der Gerber Jan Píč aus Wichstadtl nach S. übersiedelte und auf Nr. 207 eine Werkstätte errichtete, erhob sich Brady dagegen und verbot es. Píč ließ jedoch nicht nach und führte seine Sache bis vor den Kaiser. Infolgedessen kam eine Kreiskommission hergereist, welche aim 6. Mai 1799 die beiden streitenden Gerber bewog am 8. Mai 1799 einen freundschaftlichen Vergleich zu schließen. Schriftliche, aus jüdischen Quellen stammende Überlieferungen, welche uns von den Schicksalen der Senftenberger Juden, über die inneren Angelegenheiten der J. G. seit ihrem Bestände, über Vorsteher, Seelsorger, die Schule usw. berichten würden, finden sich keine, außer den Sitzungsprotokollen des Vorstandes seit dem J. 1897. Der Schreiber dieser Zeilen war daher beim Sammeln solcher Daten größtenteils auf Erinnerungen einiger älterer Genieindeangehöriger angewiesen, welche nur bis zur Mitte des vorigen Jhts. zurückreichen. Nach diesen wäre der erste bekannte Rb. in S. Josef Kolin gewesen. Er starb am 19. März 1858 im 58. Lebensjahre und wirkte hier als Rb. und Rgl. mindestens 20 Jahre. Sein Grab am hiesigen Friedhofe bezeichnet ein schöner, charakteristischer Rabbi-Grabstein. Vor Josef Kohn gab es wahrscheinlich keine Rb. in S., es waren nur Kantore angestellt. Nach Josef Kohn wirkte hier einige Zeit als Rb. sein Sohn Abraham K o h n, welcher dann als KRb. nach Königgrätz ging. Dann gab es wieder eine rabbinerlose Periode bis am 1. Sept. 1895 Siegfried Kraus, geb am 6. April 1862 in Dolní Královice, gest. 1932 in Prag, das Amt eines Rb. in S. bezog. Rb. Kraus erteilte auch den Religionsunterricht an den A^olks- und Bürgerschulen in S. und den übrigen, zum Sprengel der J. G. gehörenden Städten, und war Mitglied! des Ortsschulrates. Vorher wirkte er in Prag und an den jüdischen Schulen in Stránčic, Divišov und Brandeis a. E. Siegfried Kraus war in S. bis 30. Okt. 1911 tätig und ging dann als Rb. und Oberlehrer nach Beraun, wo er bis 30. Juni 1928 wirkte. Er war der letzte Rb. in S. Nach seinem Abgang versaih Rb. Josef Müller von der J. G. in Kostelec n. Orl. die gelegentlichen Funktionen des Seelsorgers mit Ausnahme des Teinpel-gottesdienates in S., und war Rgl. im Senftenberger Gemeindesprengel. Er starb im J. 1926. Die Matriken datieren seit dem Jahre 1839. Von der Schule ist bekannt, daß sie zur Zeit des Rb. Josef Kohn einklassig war. Sie befand sich kn I. Stock des Hauses Nr. 104 gegenüber der Mühle (demselben, welches im J. 1699 — wie schon erwähnt — der Isak Markus Sachsel kaufte, und das seit der Zeit sich ununterbrochen in jüdischen Händen befand). Hier wohnte auch Rb. Kohn. Als mit der Zeit die Gemeinde größer wurde und die Schülerzah'l zunahm, genügte wohl der bisherige Unterrichtsraum nicht mehr. Die Gemeinde kaufte daher im J. 1861 das in nächster Näihe des Tempels befindliche Haus Nr. 236, wo die Schule in zwei Klassen untergebracht wurde. In demselben Gebäude befand sich auch das rituelle Bad. Als Lehrer werden genannt: Emanuel Kohn, der zugleich Kt. war und später in gleicher Eigenschaft nach Pardubitz ging. Ferner Abraham Mautner und Jakoh P r a g e r. Dieser war gleichzeitig Kt.; es wird ihm eine besonders schöne Tenorstimme nachgerühmt. Dann die Lehrer Altar und Eduard Fried. Gegen Ende der achtziger Jahre wurde die Schule aufgelassen. Den Religionsunterricht erteilte dann tlen die öffentlichen Volks- und Bürgerschulen besuchenden Schülern Lehrer Wilhelm Ábeles aus Rokitnitz. Der letzte Kt. war Moritz L i b o c h o w i t z, gest. im J. 1908 im Alter von 84 Jahren. Als Vorsteher sind bekannt: Josef Saxl um das Jahr 1850, Benjamin Perlhäfter, Josua Weingarten, Eduard Saxl, bis 1897, Leopold Gottlieb aus Grulich 1897—1920 und Adolf Bass 1920 bis 1929. Seit Mai 1930 liegt das Amt des K. V. in den Händen des Hr. Max Bergmann in Wildenschwert, der sich um die Gemeinde sehr verdient gemacht hat. Er ließ im J. 1930 den Tempel renovieren und hatte auch für die Wiederaufnahme des Religionsunterrichtes gesorgt. Vom Vorstande stehen ihm zur Seite insbesondere die Herren Karl R u s s als Schriftführer, Rud. Pick, Kassier und Dir. Jos. N e 111, Matrikenführer. Man darf wohl annehmen — trotzdem wir keine Angaben darüber besitzen — daß früher, bevor der gegenwärtige Tempel erbaut worden ist, die Gemeinde ein Bethaus oder zumindest eine Betstube besessen hat. Der Tempel wurde um das J. 1810 erbaut. Es ist ein massiver Steinbau und enthält außer dem Hauptraum einen Vorraum, welcher als Winterbetstube diente und eine Frauengalerie. In der Blütezeit der Gemeinde, d. i. in den fünfziger bis achtziger Jahren des 19. Jhts. (zu dieser Zeit wohnten in S. allein gegen 30 Judenfamilien), wirkte hier auch ein Sängerchor. Damals soll es zu einem Zwiespalt in der Gemeinde gekommen sein. Reformisten haben zur Chorbegleitung im Tempel ein Harmonium aufgestellt. Die Orthodoxen waren dagegen und errichteten sich eine eigene Betstube. Doch fanden sich die entzweiten Brüder wieder hald im Tempel zusammen. Im J. 1860 596 Senftenbe. wurde der Tempel innen umgebaut, im J. 1883 renoviert. Der letzte T. V. war Josef Hostovaký (1907 bis 1927). Der Friedhof liegt am Nordostabhang des Rosalienberges und ist vor mindestens 260 Jahren angelegt worden. In S. gab es vor Jhzt. auch eine Ch. K. Zur Senftenberger K. G. gehören auch einige Städte und Ortschaften aus dem Senftenberger polit. Bezirk: Geiersberg, Grulich, Wichstadtl, Gabel a. d. A. und seit dem J. 1893 auch die Juden in Rokitnitz, welche früher eine selbständige Gemeinde gebildet haben. Um die Mitte des 19. Jhts. wohnten einzelne Judenfamilien auch in einigen umliegenden Dörfern, wie Žampach, Nekoř (je eine Familie Saxl) und Pěčín. Außerdem gehören zum Gemeindesprengel noch Wildenschwert, Hilhetten, Libchavy und Sopotnice im polit. Bezirk Landskron. Die gegenwärtige Seelenanzahl läßt sich nicht genau feststellen. Bei der letzten Volkszählung im J. 1921 bekannten sich im polit. Bezirk S. 119 Personen zur jüdischen Konfession, u. zw. nach Gerichtsbezirken: Senftenberg 74, Grulich 33, Rokitnitz 12. Im Gerichtsbezirk Wildenschwert waren es 104. In dieser Zahl sind aber auch die Juden von B. Trübau und Parník enthalten (ca. die Hälfte), die zur K. G. Litomyšl gehören. Gegenwärtig ist die Zahl der Gemeindemitglie-der kleiner. An Steuerzahlern waren für das J. 1928 noch 55 vorgemerkt. Wie schon erwähnt, wohnten in S. seinerzeit an 30 Judenfamilien. Interessant ist die große Zahl der Familien Saxl, von denen es gleichzeitig nicht weniger als 5 in S. und ebensoviel in der Umgebung gab. Sie gehörten zu den ältesten Judenfamilien in S. Nach und nach verringerte sich die Zahl der Jüdenfamilieu, meistens infolge Domizilwechsels vieler. Gegenwärtig wohnen nur noch 6 jüdische Familien in S. Im J. 1932 ließ Herr Josef Nettl, Fabrikant in S., um das Andenken seines verstorbenen Vaters zu Ehren, am Friedhof eine neue, schöne Zeremonien-halle erbauen, den Friedhof vergrößern und verschönern. Als um die Gemeinde und das öffentliche Leben verdiente Persönlichkeiten sind zu nennen: Im J. 1900 war es Gustav Fischl der die Verdienstmöglichkeiten in dieser armen Gegend durch Gründung der „Geiersberger mechanischen Weberei Gustav Fischl, Friedrich Engel" erweiterte und diesem Unternehmen seine reiche Erfahrung und unermüdliche Schaffenskraft bis zu seinem letzten Atemzuge widmete. Geb. am 26. April 1857 als Sohn des Kaufmannes Alexander Fischl und seiner Frau Karoline, geb. Markus, in Pardubitz. Er praktizierte in Pardu-bitz, dann in Hořitz. Er begann als Weber und lernte alle Zweige von Grund auf kennen. Schon mit 19 Jahren war er Fabriksdirektor in H. Im J. 1890 heiratete er seine Frau Leonie, geb. Jerusalem. 1893 rief er in Kompagnie mit Herrn Louis Weiß die noch heute in dessen Besitz befindliche Weberei ins Leben. Er starb nach einem arbeitsreichen Leben am 6. November 1930 in Geiersberg. Kinder: Martha, verh. Glück (Prag), Marianne, verh. Glück (Podiebrad), Erna, vcrh. Tutsch (Budapest), Vally und Alexander. Leopold Gottlieb in Grulich war K. V. in den J. 1897—1920. Er hat sein Amt besonders gewissenhaft ausgeübt. Noch als 83 jähriger Greis ergreift er nach dem Ableben des letzten K. V. Ad. Bass die Initiative und bemüht sich, das bei den maßgebenden Gemeindeangehörigen erloschene Interesse an der Er- haltung der zwar zusammengeschrumpften, doch bei gutem Willen immerhin noch lebensfähigen Gemeinde zu ordnen und ihr weitere Leitung zu sichern. Leopold Gottlieb war auch Mitglied der Repräsentanz der Landesjudensohaft Böhmens. Adolf B a s s war V. Stv. in den J. 1905—1920 und seit 1912 auch Matrikenführer. Von 1920 bis zu seinem am 30. Nov. 1929 erfolgten Ahleben war Ad. Bass K. V. Er war einer von den immer aufrechten, die gute jüdische Tradition hochhaltenden Juden, wie man sie auf dem Lande leider immer seltener antrifft. Seiner Fürsorge ist es zu danken, daß in den letzten Jahren des 'Verfalls der Gemeinde, wenigstens am Rosch-Haschonoh und Jörn Kippur unter Teilnahme der auswärtigen Gemeindeangehörigen im Tempel Gottesdienst abgehalten werden konnte, wobei Adolf Bass selbstlos und uneigennützig die Funktion des Vorbeters auf sich nahm. Josef Hostovský, geb. am 5. März 1853, gest. am 2. März 1927, war Stv. in den J. 1901—1904 und seit 1907 T. V. Er gehörte zu den geachtesten Persönlichkeiten der Stadt und des Bezirkes. Durch mehr als 20 Jahre war er u. a. Mitglied der Stadtvertretung und des Stadtrates, der Bezirksvertretung und des Bezirksausschusses, der Direktion der Städtischen Sparkasse, des Komitees für den Bau der Adlergebirgsbahn, Mitglied mehrerer jüdischen W'ohltätigkeitsver-eine usw. Wo immer es galt für die Rechte und das Wohl seiner Glaubensgenossen einzutreten, war er zu finden. Als er während des berüchtigten Hilsnerpro-zesses auch in S. zu antisemitischen Krawallen kam, verhinderte er durch sein rechtzeitiges und energisches Einschreiten Plünderungen vom Judenhäusern. Während des Krieges 1914—1918 machte er sich um die Approvisionierung der Stadt verdient. Aus S. stammt der jüdische Maler Max H o r b. Er kam zwar in Jungbunzlau zur Welt, sein Vater, welcher Kaufmann war und seine Großeltern waren jedoch seit vielen Jhzt. in S. ansässig und Max verbrachte hier seine Kinder- und Knabenjahre. Eine von seinen Freunden mit Dr. Max Brod an der Spitze zu seinem Andenken herausgegebene Max Horb-Mappe mit Reproduktionen seiner besten Werke, deren viele in S. entstanden sind, enthält folgende kurze Biographie: „Max Horb wurde am 9. Juli 1882 in Jungbunzlau geboren, verbrachte seine Kindheit in S. und kam im J. 1893 nach Prag ins Gymnasium. Schon als Kind zeigte er große Anlagen für Zeichnen und Malen. Von .seinem .16. Jahr an erhielt er Malerunterricht. Nach Absolvierung des Gymnasiums studirte er Jus an der Prager deutschen Universität, gleichzeitig war er Schüler des Malers Rudolf Bern. Im J. 1903 wurde er Schüler des Prof. Thiele und blieb bis 1906 an der Kunstakademie. In dieser Zeit und später unter-nalun er mehrere Reisen. Vom Oktober 1906 bis Sommer 1907 lebte er in München. Er starb am 9. Dezember 1907." Als Künstler war er ein Vertreter der impressionistischen Richtung und seine Maltechnik erinnerte stark an die des großen Impressionisten Max Liebermann. Die gesamte Kunstkritik war darin einig, daß in Max Horb eine starke und geniale Künstlernatur frühzeitig von dannen ging. Auf der Ausstellung jüdischer Künstler in Prag im Jänner-Feber 1930 kamen Max Horbs Bilder abermals voll zur Geltung. Sein Grabdenkmal auf dem Strašnitzer Friedhof in Prag ist ein Werk seines Akademiekollegen, des nachmaligen berühmten čechischen Bildhauers Jan Štursa.