Geschichte der Juden in Libin-Lubenz. Bearbeitet von Ing. Leo Polesie, Reichenberg. W eit gehen die Anfänge dieser alten Judengemeinden zurück. Aus den Grabsteininschriften des noch heute bestehenden Friedhofes in D r a h e n z (č. Dra-honice) wurde festgestellt, daß schon um das Jahr 1400 in Drahenz eine Gemeinde bestanden hat. Eine Urkunde aus dem Jahre 1604 gibt uns Kunde, daß der Friedhof in D. mit einer festen Mauer umgeben werden durfte. — Die Betstube befand sich gleichfalls in D. an der Stelle des gegenwärtigen Hauses Holley. Die umliegenden Dörfer Widhostitz, Mokotil und Libin waren um diese Zeit stark von Juden bewohnt. Erst um das Jahr 1790 wurd,e der Sitz der Gemeinde D. nach Libin (c. Libyně) verlegt, so daß die Betstube in L. nicht mehr ausreichte und man zu Beginn des 19. Jhts. eine Sammlung für den Bau eines Tempels durchführen mußte. Der damalige Besitzer der Herrschaft Graf Lažan-ský schenkte der Gemeinde zum Bau des Tempels den Bauplatz und die Steine. Bereits im J. 1830 wurde mit dem Bau des Tempels in L., gleichzeitig mit dem Bau der kath. Kirche in Lubenz, begonnen. Im J. 1832 konnte der Tempel bereits seiner Bestimmung zugeführt werden. Von außen glich der Tempel mit seinen streng nüchternen Linien den josefinischen Bauten des 18. Jhts. Im Innern befand sich eine barockartige Wölbung, hochgelegene große Fenster, starke, wuchtige Mauern und eine von Steinsäulen getragene Frauengalerie. Tempel in Libin (Außenansicht) Mit dem J. 1848 begann auch die Abwanderung der Juden aus L. und L. verlor immer mehr und! mehr an Bedeutung. Der größte Teil der Libiner Juden übersiedelte in das nahegelegene Lubenz (c. Lubenec), wo von der K. G. das Privatlmus Steiner für Zwecke der Volksschule und der Rabbinerwohnung angekauft wurde. Spärlich sind die Quellen über die früheren Funktionäre und Leiter dieser Gemeinden. Als K. V. wirkte bis zum J. 1896 Abraham L ö w y, Gerber aus Lubenz, nach dieser Zeit mit einer kurzen Unterbrechung Edmund Herrmann und bis zum heutigen Tage Rudolf Zentner aus Lubenz. Rb. Rudolf Polesie Rudolf Zentner (Lubenz) Von Religionslehrern sind bekannt: Kraus (1885 bis 1892), Herz (1892—1898). Vom Jahre 1898 bis zum J. 1928 wirkte als Rabbiner, Prediger und Religionslehrer Rudolf P o 1 e s i e. Geb. am 25. August 1866 in Liebeschütz bei Saaz als Sohn des bekannten jüdi. Lehrers und späteren Rabbiners Karl Polesie, widmete er sich nach Absolvierung der Volksschule in Mirowitz dem Lehrberufe. Er wirkte zuerst (1888—1893) in Schönwald b. Tachau. Hierauf als Religionsweiser und Lehrer in Groß-Cakowitz bis 1894. Bis zum J. 1897 als Prediger und Schulleiter der konz. isr. Religionsschule in Liebesnitz, wo er gleichzeitig den deutschen Privatunterricht an der öffentlichen sechsklassigen Volksschule leitete. 1898 trat er eine Stelle als Schulleiter und Rgl. in Datschitz in Mähren an. Nach Erlangung der Dispens als Rabbiner übernahm er am 1. Dezember 1898 die Stelle eines Rabbiners und Lehrers der K. G. Libin-Lubenz, wo er bis zu seinem Tode, also beinahe 30 Jahre, eine segensreiche Tätigkeit entfaltete. Durch seine besonderen Eigenschaften und großen Kenntnisse erfreute er sich in allen Kreisen und Schichten der Bevölkerung seines Wirkungskreises der größten Beliebtheit und genoß hohes Ansehen. Das Amt eines Vorstehers der Ch. K. versah vom J. 1896—1929 Leopold Glaser. Ihm war es zu danken, daß der uralte Friedhof in Drahenz erhalten blieb und durch Renovierung und Erweiterung noch heute in Benützung steht. Über das Schicksal des Libiner Tempels ist noch Zu sagen, daß er im J. 1925 aufgelassen werden mußte. Die Sandsteine hatten immer mehr Feuchtigkeit angezogen, so daß es wohl bald zur behördlichen Schließung wegen Baufälligkit gekommen wäre. Noch einmal raffte sich die dezimierte jüngere Generation der Gemeinde auf und im J. 1925 wurde ein neuer Tempelanbau, anschließend an das Lubenzer Kultusgemeindehaus, errichtet. Der erforderliche Baubetrag wurde durch Spenden, zumeist ehem. Heimatsfreunde, aufgebracht. Die Einrichtung wurde aus dem alten Libiner Tempel übertragen. Der jetzige Tempel faßt nur mehr 70 bis 80 Personen und macht einen sauberen netten Eindruck. Das Hauptverdienst an dem Zustandekommen des neuen Tempelbaues gebührt Herrn Fritz Glaser aus Lubenz, der in uneigennützigster Weise sich der Errichtung dieses Tempels angenommen hatte. Doch kein Neubau vermag den weiteren Zerfall der Gemeinde aufzuhalten. Die Zahl der Kultusgemeindemitglieder ist im steten Sinken begriffen da die alte Generation langsam ausstirbt, und von den jüngeren nur wenige auf der väterlichen Scholle geblieben sind, sondern in den benachbarten Städten Saaz, Brüx, Teplitz, Pilsen oder Karlsbad ihr Domizil aufgeschlagen haben. Zurzeit versieht ein im Dienste ergrauter Rabbiner, Jonas Traub, die Dienste des Seelsorgers in der alten Kultusgemeinde Lubenz.