105.000 Kč an Stadtbaumeister Josef Schmidt in W. unter Aufsicht des Arch. Louis Wolt von Budweis übergeben und unverzüglich begonnen. Der zumindest zweckmäßige und gefällige Bau Hegt an der Ecke der Pragerstraße und Kino-straße am sogenannten Bartholomäusfeld (einem sich entwickelnden neuen Villenviertel). Oberhalb des würdig ausgestatteten eigentlichen Tempelraumes und der Kanzlei befindet sich die Wohnung des Rabbiners. Der Betraum enthält Sitzbänke für etwa 70 bis 80 Personen (nach Geschlechtern getrennt). Sinnig und effektvoll wirkt die Wand- und Deckendekoration (Goldsterne auf blauem Hintergrunde), besonder« bei reicher elektrischer und Kerzenbeleuchtung vermittelst hübscher Luster und Leuchter; unter diesen ist besonders einer erwähnenswert, dessen Alter auf 80 Jahre geschätzt wird, von der sonstigen Ausstattung auch einige Paroches zwischen 60 und 90 Jahren. Die feierliche Einweihung am Sonntag, den 3. Jänner 1926 (17. Tebet 5686) vollzog Herr Professor Dr. Max Hoch, Rb. in Pilsen, unter Assistenz der Herren Rb. Julius Löwenbein in W, und Arnold Flaschner von Strakonitz. Vorher hatte Rb. Löwenbein nach bezugnehmender Ansprache das „Ewige Licht" entzündet und K. V. Leo Schwarz ebenso das Gebäude durch Bürgermeister Felix Pohl in Obhut der Stadtgemeinde übergeben. Nach der Weihe hielt Prof. Dr. Hoch eine schwungvolle deutsche und tschechische Festpredigt, in dem beachtenswerten Gedanken friedlichen Einvernehmens zwischen Konfessionen und Nationen gipfelnd. Daran schloß sich ein Festgottesdienst, dessen musikalischen Teil Chorregenit Heinrich Seh lattner ven W. am Harmonium und Sänger und Sängerinnen der K. G. versahen, wobei sich als Bariton besonders Dr. Karl Klement aus Prag (ein gebürtiger Winterberger) auszeichnete. Mit dem Minchagebet schloß die Feier. Anwesend waren hiebei noch Vertreter der pol. Bezirksverwaltung Prachatitz, der Staats- und Gemeindeämter (darunter OLGR. Stepanek), fast der ganze Ge-meinderat, die Kultusvorsteher der Nachbargemeinden und andere Persönlichkeiten. Kurz nachher übersiedelte K. V. L. Schwarz nach Prag; sein Amtsnachfolger wurde am 8. Feber 1926 Ignaz Fantes, welcher am 27. März 1931 im 68. Lebensjahre starb. Seither ist K. V. Berthold Eisner (siehe S. 366). Regelmäßige Gottesdienste finden nunmehr ausschließlich in W. statt, u. zw. an Freitag-, Sabbat-itnd Feiertag-Abenden, sowie anläßlich verschiedener Gedenktage wie bei Jahrzeiten, am Purim, 9. Ab., Selichot usw. entsprechende Andachten. Religionsunterricht erteilt der Rb. in W. (einschließlich der Nachbargemeinde Boubská) 8 Schülern, in Außergefild (deutsch) und in čkjn (tschechisch) je 2 Schülern, zusammen 12 (vergleichsweise 1923 in Winterberg allein 18). Nach einem Schlaganfalle Ende September 1930 wurde Rb. Löwenbein dauernd dienstunfähig und daher pensioniert; seine Funktionen versehen seither der Rb. aus Wodnian und der hiesige Tempel Vorsteher Gustav F a n 11. Am Friedhof in Čkjn wurden nach erwähntem Gräberverzeichnis seit 1688 rund 500 Personen beerdigt, u. zw. nur in Familien-Grabstätten mehrere nebeneinander, daher ist auch die Zahl der Grabstel-len ungefähr die gleiche. Nach Abzug von 15 Kriegsflüchtlingen stammen die Verbleibenden laut vorhandenen Ortsangaben aus: Čkjn 56, Winterberg 47, Zdikau 33, Böhm.-Röhren 11, Přečin 10, Eltschowitz und Hostitz je 7, Drschinka und Boschitz je 6, Außergefild 5, Bohumilitz, Mutenitz und Čestitz je 4, Bu- dilau und Malonitz je 3, Wolenitz. 2; Langendorf, Nezdašov, Schattawa, Oberplan, Wilkowitz, Ogfolder-haid, St. Mářa und Reschelau (zum Teil wohl nur als Abstammungsorte Verwandter oder anderer jüdischer Zugehöriger zu betrachten) je 1. Die übrigen Fälle ohne Ortsangaben dürfen wohl auch zum Großteil aus nächster Umgebung von Čkjn und den stärkeren Siedlungen stammend angenommen werden. Denn auch die übrigen Matriken erweisen sich bei Vergleich wenigstens anfangs als unvollständig, weil z. B. das Geburtsbuch als selbständige Juden-Matrik erst 1788 — also rund 100 Jahre später ■— beginnt und auch noch lange nachher unter Aufsicht des kath. Ortspfarrers und früheren einzigen Matrikenführers überhaupt stand, der vielleicht mit den jüdischen Bewohnern des Amtssprengeis nicht volle Fühlung hatte. Rb. Josef B 1 o c h, welcher obiges Gräberverzeichnis erst 1906 anlegte, konnte also wohl nur mit Hilfe von Grabsteininschriften, der lückenhaften älteren Matriken, etwaiger anderer schriftlicher und mündlicher Überlieferungen die Daten — soweit eben ermittelbar —• mühevoll sammeln und ordnen; er unterzog sich auch der dankenswerten weiteren Mühe, sämtliche hebräischen Grabsteininschriften (soweit leserlich, teils auch deutsch) in einem Anhange von 57 Großfolioseiten wiederzugeben und dadurch der Nachwelt zu erhalten. Im hiesigen jüdischen Siedlungsgebiete selbst sind über 100 ansässig gewesene Stämme, bzw. Familien zu unterscheiden (ohne Kriegsflüchtlinge und Einheiraten). Hebräische Namen dürften zum Teil auch als Vorläufer anderer, um 1800 angenommener oder beigelegter Familiennamen zu betrachten sein; doch ist der Zusammenhang (mangels näheier Da.ten oft unklar. Nach der Zahl ihrer bisher Verstorbenen rangieren an erster Stelle die K o h n; dann folgen die L e d e r e r, Meir-Zdekauer, Abraham-Löwit, Fahtl, Sittig, Wedeies, Fantes, Arnstein und als 10. die C ha jim. Zusammen 237 Personen; der Rest von etwa 250 Seelen verteilt sich auf die übrigen Stammfamilien und 40 Einzelpersonen wie im Vorhergehenden ersichtlich. Nach Abwanderung der Flüchtlingsreste (von denen auch einige ansässig blieben) war die Durchschnitts-Sterbeziffer im Bereiche der heutigen (allerdings auch räumlich kleineren) K. G. wie gesagt wieder ein bis zwei Fälle jährlich, d. i. wie um die Wende des 18. und 19. Jhts.; also eine weitere Bestätigung des zahlenmäßigen Rückganges im allgemeinen. Laut genehmigtem Statut von 1900 und Änderungen von 1920 werden die von der Gemeinde erhobenen Kultusbeiträge und Gebühren (Familieneinkommen unter dem üblichen Taglohn ausgenommen) mit jeder Neuwahl des KultUiSgemeindevor-standes erneuert. Andere Einrichtungen sind die Chewra-Kadischa (Beerdigungsbrüderschaft), der fast alle Mitglieder der K. G. angehören. Deren Obmann ist seit 1919 Herr Gustav Fant 1. Außerdem bestehen etwa 40 Jahrzeit-Stiftungen. Der heutige Amtsbereich der K. G. umfaßt die Gerichtsbezirke W. und Wallern, d. i. zwischen der böhmisch-bayrischen Landesgrenze im Südwesten und den Gerichtsbezirken Bergreichenstein im Westen, Wolin im Norden, Prachatitz und Kalsching im Osten und Oberplan im Südosten. Der Stand der jüdischen Bevölkerung in den (von zirka 20 oder mehr Siedlungen, wovon manche auch durch die Neukonstituierung an sich ausgeschieden worden sein mochten wie anderseits Außergefild dadurch einverleibt) verbliebenen vier Orten war 1930: in Winterberg (mit Boub-ská) 20 Familien (bzw. Parteien) mit zu- sammen 60 Köpfen, Čkjn 3 Familien mit 11, Außergefild 2 Familien mit 8 und Zdikau 2 Familien mit 3 Köpfen, zusammen 27 Familien oder Parteien mit 82 Personen. (Vor rund 100 Jahren zählte man 60 Familienhäupter!) Nach den amtl. Volkszählungsziffern vom. 2. Dezember 1930 erscheinen in Winterberg (ohne Boubská) unter einer Gesamtbevölkerung von 4939 Personen (hievon 3639 Deutschen) 57 „Israeliten" (wovon sich 25 als „Juden", die übrigen also als „Tschechos'lowaken" bzw. „Deutsche" bekannten). Die Israeliten betragen demnach etwas über ein Prozent der Gesamtbevölkerung; im Gerichtsbezirke Wallerii ist zurzeit überhaupt kein Jude ansässig, von Čkjn und Zdikau (tschechischen Orten) liegen keine Bevölkerungszahlen vor. Nach privaten Quellen waren 1921/23 in der Ortsgemeinde W. 76, im Gerichtsbezirke 119 Juden, was demnach einen Rückgang von 19 bzw. 37 Personen bedeuten würde. Am 9. Mai 1932 stárly nach längerem Leiden im Krankenhause Strakonitz Siegmund W e d e 1 e s im 69. Lebensjahre (S. 365). Dagegen erscheinen als jüngste Namen in der Geschichte der K. G. in W. N. Trenk (Glaswarenhändler), N. Polaczek (in Fa. Joß & Löwenstein) und seit anfangs 1933 Dr. Hans Steiner (Advokat, Untertorgasse 77). Seit der 1. urkundlichen Erwähnung (1625, S. 362) umfaßt die Geschichte der Juden in U. um Winterberg also 308 Jahre. * L) B u n z 1 a u (1701), Spitz, Salomon, Jakob, Hirsch, Abraham, Gerschon (1725); weit, im Famil.-Verz. -) Ein Haldek Israel erscheint 1828 in Čkjn. ") Erst um 1833 kamen die ersten Zündhölzchen auf (er-eugt von Adalbert Scheinost in Schüttenhofen, der 1868 mit inen gebracht wurden. 4) Siehe unter Winterberg um 1800. 5) Čkjn wurde nach J. Puhani bereits 1537 zum „Markte" erhoben, wird aber im Grundbuch noch 1816 als „Dorf Tschkin" genannt. ") 1860 f edeles, 1872 Fantes u. später H e s k y (siehe Familienverzeichnis). ') J o s s & Löwenstein: Wäschefabrik und das drittälteste örtliche Industrie-Unternehmen; beschäftigte bis 1914 durchschnittlich 400, meist weibl. Personen. Erster Direktor Emanuel Klier (siehe 1919/1922), seither Josef Kryl. Die Fabrik hatte in der Nachkriegszeit allerdings bis 66% Abnahme an Arbeitskräften, der gegenwärtige Stand (1932 wurden Klat-tauer und Prager Filialbetriebe in W. zusjmmengezogen) soll aber wieder an 200 sein. Im Volksmunde heißt der Gebäude-komplex auch die .»Judenburg", die Einrichtung ist eine durchaus moderne und hygienische. 8) L. Mosers.Söhne & Meyrs Neffe, Kristallglasfabrik „Adolf", 1816 errichtet vom Gratzener Glasmeister Josef Meyr und nach dem Schwarzenbergischen Erbprinzen Adolf benannt. Meyr führte das engl. Schleif- oder Kristallglas ein und übergab später an seine Neffen Taschek und Kralik unter Fa. „Meyrs Neffe". Die Erzeugnisse erlangten Weltruf und behielten nach einem tschech. Werke bis heute die erste Stelle in der böhm. Glasindustrie. Die modern eingerichteten Betriebsanlagen bedecken 10 ha Bodenfläche mit 20 Gebäuden. Der frühere Stand von rund 300 Arbeitskräften (darunter Von künstlerischer Qualität) ist durch die allg. Krise auch hier gesunken, aber die volkswirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens erhellte noch 1930 aus rund 90.000 Kč jährl. Sozialversicherungsbeiträge. 1932 ging die Fabrik unler Ausscheiden Mosers abermals in andere Hände über, die Direktoren Epstein und Heß verblieben aber.