Moses Lederer Rb. Adolf Traub Jakob Simelis \ i mann israel. Lehrerseminar in Wien, den Dr. Alexander Kristianpoller wissenschaftlich verarbeitete und der ein wertvoller Weiser des Ghettolebens unserer böhmischen Landjuden, namentlich jener in B. und Umgebung, ist. Der genannte Schriftsteller teilt hier in Kürze den Inhalt der gefundenen Briefe des ehemaligen Krb. Menachem Mendl P o 11 a k aus B. mit, welche die Zeit vom J. 1815—1866 umspannen. Es ist eine stattliche Anzahl von Briefen — 695 Stücke: diese sind zum größten Teile in hebräischer Sprache, später auch deutsch mit hebr. Schriftzeichen, verfaßt. Dr. AI. Kristianpoller ist der Ansicht, daß wenn diesen Briefen auch keine epochalen Neuigkeiten zugrunde liegen, sie dessen ungeachtet wichtig und interessant sind, weil sie unser historisches Wissen ausgezeichnet ergänzen und uns mit der Entwicklungsgeschichte der südböhmischen jüd. Landgemeinden um B., Strakonitz, Písek und Klattau bekannt machen. Nicht allein in diesen genannten Städten, aber auch in einer Unzahl kleinerer umliegenden Ortschaften waren damals J. G. und die Institution des Kreis-rabbinates war daher eine ungemein wichtige. Das gesamte jüd. Familien- und Gemeindeleben spiegelt sich in dieser, uns erhalten" gebliebenen Briefsammlung wieder. Hier finden sich Privat- und Gemeindiebriefe, Herrschaftserlässe, Statutenentwürfe und deren Nächträge, Lebensbiographien verdienter Männer. Wir erkennen aus ihnen die Hochachtung, derer sich der geistige Führer in der Gemeinde erfreut. Die Ge-meindemitglieder sind noch streng" fromm, die Sabbatruhe ist eine noch vollständige und nur in einigen, wenigen Fällen, mußte der Krb. einschreiten. Später lockerte sich die Disziplin, bald dieser, bald jener Jude achtete nicht mehr der Befehle und Drohungen, was den würdigen Krb. sehr kränkte, denn bis dahin galt sein Wort ohne Widerspruch. Was findet sich nicht alles in dieser Brief Sammlung! Der längst ver-klungene „Schulklepper", der „Magid", der „Orach", der „Melamed", die pilgernden „Meschorerim", der hausierende Buchhändler, kurz alles, was die kleine J. G. belebte und auch das, wovon sie lebte! Umfang-Teich ist das Kapitel über das Verhältnis der Gemeinde zum Schochet und Fleischhauer. Hier sind die Erlässe, Wünsche, Androhungen besonders lesenswert. Einen ganz besonders wichtigen Abschnitt der interessanten Briefsammlung bilden die religiös-wirtschaftlichen Fragen und Entscheidungen; deren gibt es hier eine Menge! Desgleichen finden sich häufig Beschwerden und Entscheidungen in gemeindepolitischer Hinsicht, wie Steuervorschreibung, Schulgeld usw. Unter den zahlreichen Bittschriften und Sammlungen befindet sich auch eine Subskriptionsliste des Jakob T e w e 1 e 8 aus Prag vom J. 1844 zu Gunsten des israel. Hospitalbaues in Karlsbad, wo der Magistrat der Badestadt den Juden ©inen ständigen Aufenthalt unter Berufung auf ein Privilegium des König Vladislav II. gestattete. Dieser Sammlung schenkte Menachem Mendl Polak ganz besondere Aufmerksamkeit. Im J. 1830 errichtete er im Popperschen Stiftungshause in B. eine Talmud-Tora-Schule, für deren Erhaltung er auch die Nachbargemeinden zuziehen mußte. Die Aufsicht über diese Schule hatten drei geachtete Gemeindémitglieder. Im J. 1837 waren an dieser Schule 15 Schüler, hievon 11 aus dem Prachiner Kreis und vier Ortsfremde. Jeder Schüler mußte sich einer Aufnahmsprüfung unterziehen. Für seine Schule sammelte Rb. Polak bei jedem sich bietenden Anlasse;' zu Anfang liefen die Spenden recht zahlreich ein, so daß Rb. Polak den mittellosen Schülern auch die Verköstigung verschaffen konnte. Später wurden die Spenden immer spärlicher und noch später entstanden Streitigkeiten in der Gemeinde wegen dieser Schule und der Rb. war zur öffentlichen Rechnungslegung gezwungen. Im J. 1841 war der Einlauf der Schulspenden bereits so gering, daß Polak mit der Sperrung der Schule androhen mußte. Die Fleischbank („šlachta") -war in L. unmittelbar hinter der Synagoge, so ■ daß der Schochet von einem Wirkungsort zum andern nicht gar,zu weit hatte. Die Institution der Kreisrabbinate in Böhmen entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jhts. und wurde erst im J. 1820 durch ein kaiserliches Dekret zum Gesetz erhoben. Im Prachiner Kreise war der erste dieser Würde der Rb. Isak S p i t z, welcher eine beträchtliche Sammlung talmudischer Studien hinterließ. Er war der Schwiegersohn* des berühmten Prager Gelehrten Rb. Eleasar F 1 e k e 1 e s. (Mitteilung des Herrn Prof. Friedrich Knöpfimacher in Prag.) Diesem folgte unmittelbar im Amte Rb. Menachem Mendl Polak, welcher sein Amt bereits „im Auftrage der Regierung" führte und strenge darüber wachte, daß die zahlreichen kaiserl. Erlässe jener Zeit, welche die Reorganisation des jüd. Gemeindewesens zum Anlasse hatten, auch ' peinlichst genau durchgeführt werden. Zahlreich sind auch die Gutachten, die in jüd. GÍaú-bens- und Verwaltungsangelegenheiten Polak der Regierung erstattete. Auch in den erledigten Rabbiner-, Lehrer- und Schochétstellen im Bereiche seines Amtes entschied Rb. Polak. Im J. 1841 wieß er den Rb.'A. Moses Bloch, einen Schüler des Lejb Glogau, trotz dessen großer Protektion mit der Motivierung zurück, daß der Bewerber nicht fromm genug ist. Durch einen kaiserl. Erlaß war der KRb. — und nur dieser allein — berechtigt, Trauungen vorzunehmen. Es finden sich daher im Nachlasse Polaks zahlreiche Bittschriften seiner Landkollegen um Verleihung einer sogenannten „Delegation", d. h. der Bewilligung, eine __ausdrücklich namhaft gemachte — Trauung „in Vertretung des Herrn KRb." vornehmen zu dürfen. Dr. Kristianpoller nennt eine große Reihe von Briefschreibern, Namen, die noch heute zahlreich in den Städtchen in und um B. vorhanden sind: S. B i r-k e n t h a 1 in Písek, M. B 1 i t z, Moses Aron Brody aus Volyně, Jecheskel F i s c h e 1, Wolin, Simon Wolf Freu n d, Čekanice, Aron Friedmann und Juda Fritsch aus Protiwin, Isserl F ü r t h, Strakonitz, Israel Kraus, Petrovice, Abraham N e u m a n n, Mirotice, Gh. R e v i c z, S. Rosenberg, _ Sušice, S. Spitz, Rosavice. Noch einige wichtige biogr. Angaben über das Leben und Wirken des würdigen KRb. Menachem Mendl Polak bringt Dr. Alex. Kristianpoller nach den Angaben des Rb. Arnold* Flaschner aus Strakonitz; denen entnehmen wir folgende Daten: M. M. Polak wurde in Lieben bei Prag geboren — das Datum ist leider nicht bekannt — und starb am 29. August 1866 in Strakonitz. Er war ein hochgelehrter, frommer Mann, der sich einer außerordentlichen Hochachtung erfreute. Sobald er eine seiner zahlreichen Amtsgemeinden „inspizieren" kam, war dort ein Festtag. Polak trug eine hohe Fellmütze („Schubitze"). Er war der Sohn des Reb Jehuda Lob aus Lieben und mit Stolz nannte er seine Lehrer Rabbi Bezalel R o-s e n b e r g und Eleazar L ö w y. Im J. 1821 wirkte er als Lehrer an der israel. .Normalschule in Lieben, verließ jedoch bald diese Gemeinde infolge der tristen materiellen Verhältnisse. Im J. 1830 war er als Lehrer in Strakonitz, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Sein Name und jener seiner Gattin Mindl Polak werden noch heute in der größten Pietät und .«Ehre genannt; namentlich in der Familie meiner Frau wird das Andenken an Frau Mindl Polak hochgehal-' ten! Sie hatte nämlich ein Waisenmädchen an Kin desstatt adoptiert und erzogen und dieses Mädchen wurde nach Jahren —: unsere Großmutter, deren Enkelin, meine Frau, den Namen „Mindl'' zu Ehren der Frau Mindl Polak erhalten hat. . Wie bereits erwähnt, geht die Zahl der in den če-chischen Landgemeinden verstreuten Judenfamilien, sonach auch im Bezirke B. (mit Lokschau), rapid zurück. Im J. 1921 waren dortselbst noch 15 Familien mit 41 Mitgliedern. Heute ist dort nicht ein einziges schulpflichtiges Judenkind. Vorsteher der Gemeinde waren: Joseph Slánský im J. 1844, J. E p š t e i n, Kassier, Moses L e d e r e r 1881, Wilhelm (Wolf) P e r e 1 e s (jetzt in Pilsen) 1894, Moritz Neumann (geb. 1895) seit 1895 bis jetzt. Im J. 1894 war V s t. Wilhelm Wolf P e r e 1 e s, ferner im Vorstande: S. Lurie, Josef Porges, Hermann Kohn, Moses Lederer, Moritz Popper, Israel Filip, Simon Popper, Jul. Klaber, H. Fleischer, Leop. Slánský, Leop. Zuzák, Adolf Weil. Rabbiner und Lehrer wurden nur über besondere Empfehlung des israel. Landeslehrerverbandes in B. aufgenommen, wovon die zahlreiche, im Besitze děs Herrn Neumann befindliche Korrespondenz des Oberlehrers Sigm. Springer, Prag,-Zeugnis legt. Der letzte KRb. von B. war R. Pražák (1880). Adolf Traub Rb. und Lehrer vom 25. Dez. 188L Mit Nachtragsprotokoll vom J. 1891 hatte Traub folgende Bezüge: für Funktionen Rb. 150 fl., als Lehrer ;600 f 1., für Beheizung 50 f 1. jährlich. Im J. 1895 suchte Traub um einen Monatsurlaub an, den er im Laufe der zwei nächsten Monate ersetzen wollte. Mit zunehmender Krankheit wiederholten sich diese Urlaubsgesuche, bis er . endlich im J. 1900 nach. 20-jähriger Amtstätigkeit um seine Pensionierung ansuchte. Rb. Traub war eine sehr beliebte Persönlich- keit, an den noch heute zahlreiche seiner Schüler mit Liebe und Dankbarkeit denken. Nach ihm kamen: Sigm. Kohn (aus Neüstraschitz) von 1900 bis 1908, Ig. N e 111 (früher in Kasejovice) 1903 —1908, Josef Müller 1908—1909, Prof. Dr. Karl K o hn (cech. Prediger aus Příbram) 1909—1915, Adolf Neu 1915 — war der letzte Rb. und Lehrer in B. Eine schöne biogr. Skizze aus dem Leben des Břez-nitzer KRb. Isak Spitz befindet sich im Buche „Tol-dot Jicchok" (verfaßt von dessen Sohn Jonas Spitz, Lehrer der hebr. Sprache in Kolin, 1843). Nach einem 5 jähr. Aufenthalt zu Königswart erhielt Rb. Isak Spitz die Stelle eines KRb. des Prachiner Kreises. Er folgte dem Rufe seiner nun wichtigen Bestimmung und trat seine Reise nach B., dem Sitze des KRb.. an. Beinahe 3 Stunden weit kamen ihm' die VorzügHch-lichsten der Gemeinde entgegen, empfingen ihn auf. eine seiner Stellung gebührende Weise, freuten sich in der Voraussetzung, in ihrem Religionsvorsteher nicht nur einen Gelehrten, sondern auch einen freundlichen, liebevollen Vater zu vernehmen. Bei seiner kleinen Gemeinde in B. unterrichtete er die Knaben selbst in der Bibel, wie auch im Talmud. Eine Talmud-Tora-Schule konnte er im Orte nicht schaffen, weil dort kein Talmudlehrer oder Rabbi-natskandidat erhalten werden konnte. Er errichtete für die Frauen warme Reinigungsbäder, damit sie sich im Winter nicht durch das Aushacken der Eisdecke erkälten müssen. Bei seiner Gemeinde arbeitete er unaufhörlich für die Wissenschaft. Mehr als 30 Briefe sind von ihm im Werke seines Schwiegervaters R. Eleasar Flekeles „Teschuba Meahaba" veröffentlicht. Die Matrikenführung hatte lange Jahre der Direktor Julius L e d e r e r, in dessen Familie dieses Amt erblich war, inne- Die israel. Matrik, Geburts-, Ehe-und Sterberegister, sind seit der josefinischen Zeit sorgfältigst geführt und erhalten. Mit der Übersiedlung dieses würdigen und um die 'Gemeinde hochverdienten Mannes nach Prag jwurde der K. V. Moritz Neumann auch mit dem Amte der Matrik betraut. „Lokschan" ist im Aussterben. Nur noch wenige Jahre und das böhmische Landghetto L. gehört ins Reich der Geschichte. Benützte Quellen. Schaller, Topographie vom J. 1796. Prof. Dr. Sam. Krauß, Wien, „Joachim Edler v. Popper". Jan Žák, „Paměti města Březnice". Bondy - Dvorsky, „Prameny k dějinám Židů v Čechách", I. und VI. „Věstník města Březnice", III. Jhg., Beiträoe der Schul-direktoren F. Dušan Zenkl und Václav Fiala. Landesschulrat J. J. Kořán, ,.Schulstatistik", č.-ž. kalendář 1894195. Nár. jednota čechožidovská, zpráva za rok 1900. Jos. Siblik, „Blatensko a Březnicko". Hlídka Osvětového sboru v Březnici, Beitrag F. Dušan Zenkl, I. Jahrgang. Gutsdirektor Fr. Nevrla, Březnice, Mitteilungen. Jul. Lederer, Direktor, Březnice, Mitteilungen, u. Dokumente. Prof. Dr. Ang. Sedláček, „Hrady a zámky české", Bd. ,.Prá-chensko". Prof. Dr. Ang. Sedláček, Mitteilungen und Privatbriefe. Dr. Alexander Kristianpoller, Wien, Beitrag i. d. „Selbst-wehr", Nr. 45, Jhg. XIX. Mořic Neumann, Březnice, Matrikenbücher der israelitischen Gemeinde. t Dr. J. Bergl, „Das Exil der Prager Judenschaft" v Ročence Sp. pro dějiny Židů, roč. I. * *) Zit. aus dem k. k, Hofarchiv Wien, Tabak-Contrakte ex 23. November 1764, Nr. 119. Prof. Dr. S. Kraus, Wien, „Joachim Edler v. Popper", S. 31, verweist auf die mannigfache Schreibweise des Namens Popper. 2) Die Photographie des Grabsteines Poppers siehe. Abbildung Rozvoj, Nr. 3/4, 1922. . • • .-.....