Geschichte der Juden in Bischofteinitz. Bearbeitet von Rabbiner E. Zwetschenbaum, Bischofteinilz. W ann die ersten Juden nach Bischofteinitz (c. Hor-šuv Týn) kamen, läßt sich heute authentisch nicht feststellen. .Nach mündlicher Überlieferung dürften Juden hier schon vor 400 Jahren gelebt haben. Sie wohnten in der Umgebung der jetzigen Langegasse. Vor ca. 60 Jahren sollen noch in dem Hause CN. 84 Stadt, kenntliche Überreste einer ehemaligen Synagoge und eines rituellen Bades (Mikwa) vorhanden gewesen sein. Doch sollen diese Juden hei einem Aufstande-im 16. Jht. ums Leben gekommen sein. Nach einer anderen mündlichen Überlieferung soll sich d&r damalige Besitzer von B., Popel von Lobkowitz, ein unmenschlicher Tyrann, den die Volkssage als unseligen Geist noch heute auf der von ihm durch Robot erbauten kilometerlangen Mauer um Mitternacht am Pferd reiten läßt, in ein Judenmädchen verliebt haben, u. zw. in die Tochter des Rabbiners. Da er jedoch abgewiesen wurde, soll er sich an den Juden in B. blutig gerächt haben. Als die Juden an einem Freitag Abend aus der Synagoge heimkehrten, wurden sie auf Veranlassung Popel von Lobkowitz in einem schmalen Gäßchen überfallen und insgesamt umgebracht. Dieses Gäßchen, ein Seitengäßchen des Stadtgrabens, führt noch heute im Volksmunde den Namen „DasMartergäßchen". Daß Juden schon in früherer Zeit in B. lebten, kann auch aus dem Umstände abgeleitet werden, daß sich, außerhalb der Stadt, im Süden, am rechten Ufer des Pötokbächleins ein Feld (KNr. 2794) befindet, welches Eigentum der Stadtgemeinde B. ist und noch iheute im Volksmund „Beim Judenfriedhof" genannt wird. Doch existieren keinerlei Grabsteine und sonstige Symbole eines jüdisches Friedhofes. In der Bezirkschronik wird berichtet, daß sich am 6. Feber 1772 ein Jude taufen und in die Kloaterge-meinschaft aufnehmen ließ. Nach einer Urkunde aus dem J. 1650 wird die Bischofteinitzer Bürgerschaft von der Herrschaft für verschiedene genehme Handlungen gewürdigt, darunter, „weil sie Nichtkatholiken von der Stadt ferngehalten habe". Auch diese Tatsachen deuten darauf hin, daß Juden schon früher hier siedelten. Nach der bereits zitierten Bezirkschronik fand im J. 1858 in B. das erste Judenbegräbnis statt, u. zw. des k. k. Subarrendators Moses Grünhut. Zu einer neuerlichen Ansiedlung von Juden in B. dürfte es um die Mitte des vorigen Jhts. gekommen sein. Zuerst waren es nur ganz vereinzelte Familien, die sich hier niederließen. Nach dem J. 1848 übersiedelten einige Judenfamilien aus den umliegenden Dorfgemeinden, in welchen sich ehemals eigene Judengemeinden befanden, wie Putzlitz und M e t z 1 i n g., oder zu diesen gehörten, nach B. Ihre Anzahl War jedoch eine viel zu beschränkte, als daß sie gleich anfangs an die Errichtung der nötigen Institutionen einer jüdischen Gemeinde, wie Synagoge und Schule, schreiten konnten. Ihre Andacht verrichteten sie in einem hiezu gemieteten Lo- Horšův Týn i 38 kale, bald in diesem, bald in jenem Hause, zuletzt, durch längere Zeit bis zum J. 1878 in der Stadt im Hause CN. 78. Den Schulunterricht erhielten die Kinder in der hiesigen öffentlichen Volksschule. Der mosaische Religionsunterricht wurde ihnen entweder in dem Wohnzimmer des jeweiligen Religionslehrers, oder im Hause eines der Gemeindemitglieder erteilt. Im J. 1875 kauften die Gemeindemitglieder, trotzdem man damals nur etwa 12 Familien zäiilte, das Haus CN. 31 in der Großen Vorstadt, wozu jedes Gemeindemitglied freiwillig einen gewissen Betrag spendete. Das. gekaufte Haus wurde zu einer Synagoge adaptiert. Als Religionslehrer und Funktionäre waren tätig: Lehrer Abraham Beiml 1868—1875, Adolf Wedel es 1875—1880, sein Nachfolger wurde Friedländer, früher SchulleiterJn Neustadtl bei Plass. Im J. 1882 wußte dieser Lehrer die Schulgemeinde mit dem Hinweis auf die Unzweckmäßigkeit der bisherigen Uniterrichtsweise zu veranlassen, daß für die Schüler jüdischer Konfession eine eigene Schule errichtet -werde. Zu diesem Zwecke errichtete man im Hofe der Synagoge ein Nebengebäude, und mit Bewilligung des Ländesschulrates wurde am 1. Feber 1883 eine einklassige Privatvolksschule mit deutscher Unterrichtssprache eröffnet. Dem Lehrer Friedländer folgte in seinem Amte am 1. September 1884 der Funktionär Josef Adler bis Juli 1890, vom Juli 1890 Religionslehrer S. Spitz bis Mitte 1892, Moses Reitler von Mitte 1892 bis Jänner 1894, Rb. Joachim Lamm bis 1900, Rb. M. Bussgang bis 1. September 1904, Simon Steinbach bis 1913, Emanuel Polnauer his Dezember 1919. Die Schule wurde im J. 1892 aus Mangel an Schülern aufgelassen. Einer der ersten Vorsteher der jüdischen Gemeinde war Alexander Schlesinger. Nachdem dieser nach mehrjähriger Amtswirksamkeit resignierte, übernahm die Leitung der Judengemeinde Heinrich Stein und verwaltete diese Stelle bis zum J. 1884, in welchem er nach Wien übersiedelte. Es bekleideten dann die Stelle eines K. V. Isac Hofmann bis 1886, Jakob E k s t e i n bis 1887, Samuel S c h 1 e i s s n e r 1888, Leopold H a c k e 1 bis anfangs 1890, Simon Steiner bis 1900, Dr. Arnstein bis 1903, Simon Steiner bis 1912, Dr. A r n s t e in bis 1919, Dr. K a h 1 e r bis 1925, ferner Simon Steiner, Karl Ábeles und Sigmund Schleissner. Am längsten leitete die K. G. Simon Steiner, insgesamt 23 Jahre. Die jetzige K. G. B., deren Statuten im J. 1896 genehmigt wurden, umfaßt folgende Ortsgemeinden aus dem Gerichtsbezirke Bischofteinitz: Bischofteinitz, Bli&owa, Dobrowa, Horschau, Křakau, Maschowitz, Obermedelzen, Messhals, Miřikau, Mu-kowa, Pirk, Podrasnitz, Potzowitz, Raschnitz, Seme-schitz, Hochsemlowitz, Třebenitz, Wassertrompeten, Webrowa, Worowitz, Wostirschen. Dann aus dem Gerichtsbezirke Ho&tau das Dorf Sirb. Bischofteinitz 1 Die K. G. besitzt keinen eigenen Friedhof. Die meisten Kultusgemeindemitglieder bilden mit den Juden von S t a n k a u und Kollautschen eine Chewra-Kadischa, deren Friedhof sich in Putzlitz, einer ehemals größeren Judengemeinde des politischen Bezirkes, auf einer Waldanhöhe außerhalb des Dorfes, befindet. Dieser Friedhof besteht nach den Aufschriften der ältesten Grabsteine etwa 120—125 Jahre. Einige hiesige Judenfamilien sind Mitglieder der Ch. K. in Rosenberg und Mies. Die K. G. Bischofteinitz, welche gegenwärtig 70 Seelen zählt und zu den kleineren Gemeinden Böhmens gehört, hat stets, wenn auch unter Opfern, der jüdischen Tradition gemäß, für die Befriedigung aller religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder gesorgt, und auch auf charitativem Gebiete wurde und wird das Möglichste geleistet. Während des Weltkrieges hat die K. G. eine großzügige Flüchtlingsfürsorge durchgeführt. Leider geht die Anzahl der Kultusgeineindeinitglie-der zurück, sodaß die jüdischen sozialen Lasten immer drückender werden. Die hiesigen Juden betätigen sich besonders erfolgreich in děr Ökonomie. Die Gutshöfe A b e 1 e s -P o p-p e r sind für den ganzen Pilsner Kreis mustergebend. Ferner gibt es in B. 2 jüd. Advokaten; die übrigen Mitglieder der K. G. sind Gewerbetreibende; alle erfreuen sich der Achtung der Mitbevölkerung. In Verwaltung der K. G. befinden sich die Matrikenbücher der ehemaligen Judengemeinde Metzling, deren Eintragungen mit dem Jahre 1842 beginnen. •\ Horlův Týn 2 39 Bischofteinitz «